Höhle von Milatos, Gedenkstätte und Ausflugsort

Veröffentlicht am 26. Juni 2025 um 15:23

Genau zwischen den Urlaubsbunkern von Malia und den Luxusressorts von Elounda liegt etwas abseits im Nordosten Kretas eine Sehenswürdigkeit mit Meerblick, die sehr gut den Charakter der Kreter umreißt. Denn hier in der Höhle von Milatos endete eine finstere Episode des kretischen Unabhängigkeitskampfes gegen die osmanische Besatzung, als hunderte unbewaffnete Einheimische von den Truppen Hassan Paschas getötet wurden. Tragisch, melancholisch, und nun ein wichtiger Teil der langen Geschichte Kretas.

Antiker Antentempel des griechischen Stadtstaates LatoLato

Auf 2.100 qm suchten bis zu 3.500 Kreter Schutz vor den osmanischen Angreifern  ©Kretaplan

 

Eine etwas abseits gelegene, schartige und sonnenverbrannte Schlucht, die jedem Western einen angemessenen Drehort bieten würde. Riesige Geier, die auf lautlosen Schwingen über der Felspalte kreisen. Und ein steiniger Weg, der zum verborgenen Eingang einer großen Höhle voll mit Fledermäusen 155 Meter über dem Meer im Berg führt, die Tausenden von Flüchtigen, Frauen, Kindern und orthodoxen Priestern Zuflucht gewährte – doch es war tragischerweise eine trügerische Sicherheit.

Zuflucht der kretischen Flüchtlinge in dunklen Felskammern

Im Zuge des Aufstands der Kreter im Griechischen Unabhängigkeitskrieg gegen die osmanische Besatzung ab dem Jahr 1821 flohen mehrere Tausend Bewohner der Region Neapoli im Winter 1823 in die Berge, vor allem unbewaffnete Frauen, Kinder und christliche Priester. Denn die türkischen Besatzer hatten als Reaktion auf die kretischen Unabhängigkeitsbestrebungen Verstärkung durch Truppen unter dem ägyptischen Kommandanten Hassan Pascha geschickt, die bereits in anderen Bergregionen Ostkretas für Schrecken und Verwüstungen gesorgt hatten. 5.000 osmanische Soldaten sollten die Flüchtlinge aus den Dörfern um Neapoli nun gefangen nehmen, das Tal wurde abgeriegelt und die Kreidekalkstein-Felsen um die Höhleneingänge mit Artillerie beschossen. In der etwa 75 Meter tiefen Höhle, die rund 2.100 Quadratmeter misst, fanden wohl mindestens 2.000 bis 3.500 Menschen Schutz, lediglich 150 von ihnen waren bewaffnete Rebellen. Es dürfte also entsprechend stickig und eng in den Felskammern gewesen sein. Tagelang verschanzten sich die Flüchtlinge hinter den Höhlenzugängen, Säcke voller Schafswolle sollten die Einschläge der türkischen Artelleriegeschosse dämpfen.

Ausblick von der Agora in Lato über das Meer

Riesige Geier kreisen über der sonnenverbrannten Schlucht, die die andere Seite Kretas abseits der Touristensstrände zeigt  ©Kretaplan

 

Rebellen starten Gegenangriff - und ziehen ab

Zwar sahen sich die Osmanen mit einem massiven Gegenangriff von 300 sfakiotischen Kämpfern aus dem Südwesten Kretas sowie bewaffneten Verbänden aus dem zentral-westlichen Lappa konfrontiert, die den Belagerern einige Verluste zufügten und Vieh erbeuteten. Doch die Rebellentruppen zogen daraufhin wieder ab. Zwei Wochen nach Beginn der Belagerung gingen die Vorräte in der Höhle zu Ende, am 15. Februar 1823 mussten die Kreter der übermächtigen Belagerungsmacht kapitulieren. Was trotz der Beteuerungen von freiem Geleit für die Flüchtlinge folgte, würde heute als Kriegsverbrechen bezeichnet, könnte aber immer noch passieren, wenn keiner so genau hinsieht. Sämtliche der kretischen Kämpfer wurden getötet oder später auf Spinalonga hingerichtet, die Priester auf Scheiterhaufen verbrannt. Frauen und Kinder wurden geschändet, erschlagen oder in die Sklaverei verkauft. Knochen der Getöteten finden sich heute in einem Schrein neben einer kleinen Kapelle, die 1935 im nördlichen Gewölberaum der Höhle errichtet wurde und zum Namenstag des heiligen Thomas am Sonntag nach Ostern zu Gottesdiensten genutzt wird.

Freitreppe im Ladenbezirk des östlichen Lato

Rückzugsort mit Aussicht: Die Höhle von Milatos bot eine strategische Lage, allerdings nicht für immer  ©Kretaplan

 

Ein Pferd namens Karma?

Wenig später nach dieser unrühmlichen Episode des Griechischen Unabhängigkeitskrieges zog Kommandant Hassan Pascha mit seinen Truppen aus Milatos ab, um sich auf den Weg in die Messara-Ebene zu machen. Doch Reisen in feindlichen Ländern war damals nicht ungefährlich, der Kommandant stürzte in der Region Kastelli vom Pferd und starb umgehend. Er trug wohl keinen Helm. Um ausnahmsweise einmal eine Info-Tafel zu zitieren, der Verfasser stammt vermutlich aus dem nahen Lakonia: "Sein Pferd scheute und warf ihn so jäh ab, dass er sein Genick brach ohne ein weiteres Wort zu verlieren." Er wurde in der Nähe der Kirche von Agios Titos in Heraklion begraben. Es handelt sich übrigens nicht um den ersten türkischen Garnisonskommandanten Küçük Hasan Pascha, dem zu Ehren nach der osmanischen Eroberung 1645 die Hasan-Pascha-Moschee in Chania errichtet wurde.

Kleine Höhlenwanderung mit Geschichte - und der Chance auf Fledermäuse: Milatos Cave ©Kretaplan

 

Kretaplan-Tipp: Milatos Cave im Nordosten Lassithis

  • geöffnet rund um die Uhr, unbeschränkter Zutritt
  • erreichbar von Westen via Sisi oder Süden via Latsida über kurvige kleine Landstraßen
  • für den Besuch sind Taschenlampen sowie geschlossenes Schuhwerk zu empfehlen, da der 300 Meter lange Aufstieg über äußerst grobsteiniges und mitunter scharfkantiges Pflaster führt
  • bei unserem ersten Besuch vor gut zwei Jahren stand der Pavillon am Zugang noch leer, nun befindet sich ein recht touristisches Ausflugslokal mit großer Aussichtsterasse darin. Auch die einst mehr als windschiefe Reling des rund 300 Meter langen Wanderwegs zum Höhleneingang wurde erneuert.
  • In den tieferen Kammern und Nebenhöhlen von Milatos finden sich mehrere Fledermausarten, darunter Hufeisennasen, Langflügel- Wimpern- und Bulldogg-Fledermäuse. Besonders am Tag sollten die nachtaktiven Tiere nicht gestört werden.
  • Zur Erfrischung nach dem Besuch der Höhle bietet sich ein Abstecher ins 3km entfernte Milatos Beach (Paralia Milatou) an, wo sich zahlreiche Fischtavernen und Cafes an einem kleinen Hafen mit noch kleinerem Sandstrand erstecken.

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