Ausflugsinsel Chrysi: Naturschutz und Tourismus?

Veröffentlicht am 22. Mai 2025 um 12:09

Eine unbewohnte Insel in türkisblauer See, lange weiße Sandstrände und sonnengegerbte, knorrige Wacholderbäume: Die unbewohnte Insel Chrysi gilt nicht nur als einer der geografisch südlichsten Punkte Europas, sondern könnte fast das Idealbild einer tropischen einsamen Insel abgeben. Doch das fragile Ökosystem der Ausflugsinsel wurde von unregulierter Nutzung bedroht, weshalb die Regionalverwaltung 2022 die Insel im Süden Kretas für den Tourismus sperrte. Nun wird eine Wiedereröffnung angestrebt.

Weißer Sandstrand auf der Ausflugsinsel Chryssi

 Griechische Sandstrände: Fruchtbarer Boden, besonders für Schirmverleiher – so auch bis 2022 auf Chrysi   ©vstam70/pixabay

 

Chrysi-Wacholder halten das Gold der Insel zusammen

Einsame Inseln müssen klein, umgeben von weißen Stränden und warmen Meer und vor allem: einsam sein. Das allerdings traf auf Chrysi (Χρυσή = golden) nicht mehr zu, als die Regionalverwaltung Ostkretas im Mai 2022 die recht flache Kalksandinsel vor der kretischen Südküste für den Touristenfluss sperrte, der zuvor bis zu 200.000 Besucher im Jahr auf die unbewohnte weiße Insel gespült hatte. Eigentlich unbewohnt, denn zur Hochzeit des wilden Treibens quartierten sich einige Robinsons gleich für den ganzen Sommer in selbstgebauten Hütten ein, errichteten illegal Tavernen und brachten Fahrzeuge und Ziegen mit – in ein Naturschutzgebiet, dessen Vegetation von einer besonderen Art von Wacholderbäumen dominiert wird, dessen älteste Exemplare wohl bis zu 300 Jahren alt sein dürften. In Zeiten des Klimawandels mit vermehrten Starkwinden und Sturmereignissen halten die weit verzweigten Wurzeln der hunderte Jahre alten Bäume buchstäblich die sandige Insel zusammen. Die illegale Beweidung durch Ziegen könnte die jungen Triebe der Pflanzen nachhaltig geschädigt haben. Auch der Sperrmüll aus Kühlschränken, Paletten und Mülltonnen, die hinterlassen wurden, ist noch nicht vollständig entfernt worden.

Und: die Insel hat durchaus Bedeutung über Naturschutzüberlegungen hinaus, denn in archäologisch erforschten Siedlungen aus der minoischen Bronzezeit im Norden und Westen von Chrysi wurden Anzeichen eines regen Handels mit Purpur-Meeresschnecken entdeckt, die um 1.500 v.Chr. als wertvoller Farbstoff einen zentralen Bestandteil der prosperierenden Textilindustrie Kretas darstellten.

D̶i̶e̶ ̶N̶a̶t̶u̶r̶  Der Tourismus findet einen Weg

Das rund 4,7 km² messende Eiland, von den Kretern meist Gaidaronísi (Γαϊδαρονίσι = Eselsinsel) genannt, hat kaum Süßwasserreserven und keinerlei versorgende Infrastruktur und ist daher eigentlich nicht für eine dauerhafte Besiedlung geeignet. Doch die nächstgelegene Stadt Ierapetra, vor deren Küste Chrysi rund 15 km in der Lybischen See liegt, hat selbst nur wenig Sehenswürdigkeiten und kaum Sandstrand zu bieten und sich daher im Laufe der Zeit auf das einträgliche Geschäft mit den Bootsausflügen zur vorgelagerten "Strandoase" spezialisiert. Fährtickets wurden überall in der Stadt und ihrem kleinen Hafen angeboten. Doch auch nachdem das Anlanden von Schiffen auf Chrysi untersagt wurde, kamen dennoch Ausflugsboote und setzten die Besucher kurz vor den lockenden Stränden, schon länger mit Sonnenliegen- und Schirmverleih bewirtschaftet, einfach im Wasser ab, um die letzten Meter schwimmend zurückzulegen.

Mit dem Beginn der Tourismussaison im Mai 2022 ist allerdings auch das Betreten der Insel behördlich verboten. Diese Ruhepause könnte dazu geführt haben, dass im August 2024 auf der Insel zum ersten Mal Nester der Grünen Meeresschildkröte (Chelonia mydas) entdeckt wurden. Die bis zu 1,50 Meter langen, bis 180kg schweren und damit größten aller Meeresschildkröten sind in ihrem Bestand stark gefährdet und im östlichen Mittelmeer sehr selten geworden. Nicht nur sind sie auf ruhige Sandstrände für ihre Nesthöhlen angewiesen, sondern auch auf müllfreie Meere, da ihre Jungtiere im Gegensatz zu den ausgewachsenen Grünen Meeresschildkröten keine reinen Pflanzenfresser sind, sondern Plastikteile im Wasser häufig mit Quallen, Kalmaren und Krabben verwechseln und an ihrem Verzehr verenden.

 Einst wertvoller für die Region als Treibstoff: ehemalige Verkaufsstellen für Chryssi-Ausflugstickets um Ierapetra   ©Kretaplan

 

Erste Zeichen einer Lockerung des Betretungsverbots von Chryssi

Nun mehren sich die Anzeichen, dass die Regionalregierung über eine legale Nutzung der Insel Chryssi nachdenkt. Bereits angelaufende Studien der lokalen Forstbehörde sollen den Zustand der Wacholderbäume weiter untersuchen, die von der illegalen Nutzung des Grundwassers der Insel in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Laut dem Direktor der Forstwirtschaftsbehörde Lasithis, Manolis Koudoumas, sei ein großer Teil des Zedernwaldes, vor allem im nördlichen Teil der Insel, ausgetrocknet. Weiterhin ist ein Gutachten zur Legalisierung eines Piers als Anlandestelle für Ausflugsschiffe geplant, um das Eiland auch wieder kommerziell nutzen zu können.

Ein Kommitee soll den Aktionsplan dazu überwachen, der Vorsitzende Calouste Paragamian betonte gegenüber Radio Lasithi, dass sich die Insel ökologisch bereits zu erholen begonnen habe und von vielen schädlichen Praktiken der Vergangenheit, wie illegalem Camping und Umweltschäden, befreit sei. Gleichzeitig habe sich die Mentalität sowohl der Bevölkerung als auch der Geschäftsleute allmählich geändert. Es werde noch zwei bis drei Jahre dauern, bevor die Insel schließlich den gewünschten Zustand als nachhaltiges und geschütztes Reiseziel erreiche, so Paragamian. Das allerdings dürfte wohl eher an den langsam mahlenden Mühlen der griechischen Bürokratie liegen als an Umweltschutz-Auflagen.

Staatliche Bulldozer oder schwimmende Krankenwagen?

Möglicherweise wurde die Entscheidung mit den Entwicklungen an anderen Küstenabschnitten Kretas um Heraklion, in Sisi, Elounda und Ierapetra im Hinterkopf getroffen, wo im Winter 2023/24 illegal errichtete und somit nicht besteuerte Tourismusstrukturen wie Cafes und Restaurant-Terrassen behördlich mit dem Bulldozer entfernt wurden, was zu großen Protesten seitens der lokalen Tourismusindustrie führte. Tatsächlich sah es, kurz vor Beginn der Tourismussaison im April, in den betroffenen Gebieten verwüstet aus wie nach einem heftigen Tornado.

Ein weiteres Zeichen setzte nun Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, als er kürzlich die Übergabe eines weiteren neuen »schwimmenden Krankenwagens«, also eines notfallmedizinisch ausgestatteten Bootes für den Krankentransport, für die Insel Chrysi zur Stationierung im Hafen von Ierapetra in Aussicht stellte. Demnach kann wohl davon ausgegangen werden, dass auch von höchster Athener Stelle nicht viel länger auf die Einnahmen zumindest aus dem Tagestourismus mit Ziel der Insel Chrysi verzichtet werden soll.

Blick von Chrysi über das Libysche Meer und die Küste um Ierapetra

 Chrysi Island: Lange genug ohne Besucher? Die Hotels Ierapetras im Hintergrund halten reichlich Nachschub bereit   ©Pat_Photographies/pixabay

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