Das antike Lato, klassische Ruinen zum Anfassen

Veröffentlicht am 6. Mai 2025 um 13:03

Kaum eine archäologische Stätte bietet so unmittelbar ein Bild des mediterranen Lebens vor rund 3.000 Jahren wie die kleine Ruinenstadt in den Hügeln über der Mirabello-Bucht. Bereits seit der minoischen Zeit besiedelt, wuchs die dorische Hügelstadt zu bemerkenswertem Einfluss. Allerdings ist es der hervorragende heutige Zustand der architektonischen Zeugnisse hochklassischer Zeit, zusammen mit der wunderschönen Lage der Stadt mit Blick über das moderne Agios Nikolaos, die die antike Stadt Lato zu einer besonderen Sehenswürdigkeit Ostkretas machen.

Antiker Antentempel des griechischen Stadtstaates LatoLato

Antentempel von Lato, mit bestem Blick für die Gottheit über die heutige Bucht von Mirabello  ©Kretaplan

 

Im Herzen der Insel auf einer geteilten Hügelkuppe mit Blick auf eine geschützte, fischreiche Bucht gelegen, mehrere überaus fruchtbare Hochebenen im Rücken und aktiv geschützt durch eine dicke Stadtmauer, liegt die antike Stadt Lato strategisch günstig wie eine Festung auf dem dauerhaften Fundament des kretischen Felsens. Nicht überraschend, dass man an einem solchen Ort auf Funde stieß, die auf eine mindestens 3.500 Jahre zurückreichende Besiedlung hindeuten. Bereits in minoischer Zeit der großen Palastzentren auf Kreta wurden markante Tongefäße und Terrakotta-Figuren in der Region hergestellt und gehandelt, deren Reste man auch vereinzelnt bei der Ausgrabung hier in den Hügeln über der Bucht von Mirabello fand; und damit einen Hinweis auf das tatsächliche Alter als Siedlungort. Doch besonders viele Artefakte des täglichen Lebens wurden hier nicht entdeckt. Das ist wohl ein Hinweis darauf, dass die Bewohner die Stadt nach und nach verließen und sich im Zuge ihrer Jahrtausende dauernden Besiedlung immer mehr ans Meer orientierten, um schließlich die zunächst untergeordnete Hafensiedlung Kamara als vorgänger des heutigen Agios Nikolaos auszubauen.

Lato: Mehr als nur alte Steine mit Aussicht

Eindrucksvoll sind natürlich besonders die vor Ort verbliebenen steinernen Zeugnisse einer mediterranen Kultur, die der heutigen westlichen Welt als dauerhafte kulturelle Grundlage dient. Nicht umsonst wurde die Stadt nach der mythologischen Göttermutter Leto benannt, die als Geliebte des Zeus das Zwillingsgötterduo Apollon und Artemis im Geheimen gebar. Schon besonders, wenn man beim Duft vom wilden Thymian zwischen den zum Teil in den Fels geschlagenen Stufen des rund 3.000 Jahre alten Theaters sitzt und durch die grünen Berghänge bis auf die moderne Hafenstadt und Zentrum Ostkretas, Agios Nikolaos, blickt. Bezeichnend, dass auch diese moderne Regionalhauptstadt der Region Lasithi und damit ganz Ostkretas in Sichtweite an dieser zentralen Stelle der Insel liegt. Das sorgt nicht zuletzt für die gute Erreichbarkeit von Lato, denn die antiken Stadtmauern stehen lediglich eine kurze Abzweigung von der kretischen Europa-Fernstraße entfernt, sind fast nie überlaufen wie andere kulturelle Sehenswürdigkeiten Kretas und auch für Familien mit Kindern ein echtes Erlebnis. Denn in nur wenigen archäologisch bedeutsamen Stätten der Welt ist das antike Erbe so deutlich und unmittelbar erlebbar wie im antiken Lato.

Ausblick von der Agora in Lato über das Meer

Blick über die Ränge des Theaters von Lato, über das Tal, die Bucht und Agios Nikolaos  ©Kretaplan

 

Die Stadtmauer und der Ladendistrikt im östlichen Lato

Ob mächtige Stadtmauer, Ladenzeile mit Werkstätten oder Freiluft-Theater – die meisten Tausende Jahre alten Zeugnisse der hochklassischen Epoche sind hier in Lato auch für ungeschulte Augen gut erkennbar und begreifbar. Nur die zentrale Zisterne als öffentlicher Wasserspeicher der Stadt ist aus Sicherheitsgründen eingezäunt, sonst ist alles unbeschränkt. Betritt man die Stadt nach kurzem Aufstieg über einen grob gepflasterten Pfad durch das östliche Haupttor in der wehrhaften Stadtmauer, laden bereits die Gebäude zur Rechten des breiten Treppenaufgangs zum Rätseln, welche Waren und Dienstleistungen hier einst angeboten wurden. Lato dürfte Dank des bis heute überaus fruchtbaren Hinterlandes (Kritsa-Olivenöl und Obstkörbe der Lasithi- und Kartharo-Hochebene) sowie der günstigen Lage über dem eigenen geschützten Hafen prädestiniert als überregionaler Handelsstützpunkt gewesen sein, was sich auch durch einige Keramikfunde und die Tatsache bestätigte, dass der relativ kleine Stadtstaat sogar eigene Bronze- und Silbermünzen prägte.

Freitreppe im Ladenbezirk des östlichen Lato

Der geschäftliche Ostteil Latos mit Werkstätten und Läden heute dominiert von Olive und Johannisbrotbaum  ©Kretaplan

 

Dorische Säulen, kleine Wohnhäuser, Platz für öffentliches Leben

Über die breite Freitreppe, an deren linker Flanke sich, nur teilweise freigelegt, sieben Terrassen mit  Wohneinheiten befinden, erreicht man am Scheitelpunkt des Hügelsattels die öffentlichen Bereiche der Stadt, zunächst mit einer rechteckigen Säulenhalle (Stoa) dorischer Ordnung, deren schlichte steinerne Säulenkapitelle an frühe, noch aus Holz gefertigte Bauten erinnern. Unmittelbar daneben befindet sich eine mehrere Meter tiefe Zisterne, also ein unterirdischer Wasserspeicher, der auf Grund seiner Größe und Platzierung die öffentliche Wasserversorgung der Stadt als zentrales Element der Gemeinschaft kennzeichnen dürfte. An die Agora, also den Marktplatz als Zentrum der antiken griechischen Stadt, grenzt hier im Norden eine breite dreiflügelige Freitreppe, die zum sogenannten Prytaneion herauf führte – als größtes Gebäude der Stadt und der Einrichtung als Sitz der Ratsversammlung zu identifizieren, in dem die politischen Führer der Stadtstaaten traditionell speisten und Gäste empfingen. Neben einem Perystil-Gartenhof verfügt das Gebäude über eine breite Steinbank als Sitz der Ratsherren. Aus Schriftquellen ist bekannt, dass Lato im 2. und 3. Jahrhundert v.Chr. enge diplomatische Beziehungen zu anderen Stadtstaaten Kretas wie Gortyna, Lyttos und Eleutherna, aber auch mit dem kleinasiatischen Milet (heutige Türkei) unterhielt.

Dank einzigartiger Lage und guter Zugänglichkeit ein echtes Erlebnis: Das antike Lato in den Hügeln über Agios Nikolaos   ©Kretaplan

 

Kleine Archäologie eines Tempelbaus

Selten präsentiert sich ein Sakralbau so zugänglich von Format und Erhaltungszustand wie der klassische Antentempel am Hügelhand südlich der Agora. Auf einer kleinen Terrrasse über dem zum Meer abfallenden Tal von Lato finden sich dicke Steinquadern um einen in Grundmauern gut erkennbaren Rechteckbau mit abgetrennten Vorraum (Ante), als ob sich der mit dem unfertigen Bau beauftragte Zyklop mal eben zur Mittagspause in den Schatten gelegt hätte. Vor dem Tempeleingang im Osten findet sich ein kleiner gemauerter Altar, auf dem üblicherweise der Kultstatue der (in diesem Fall nicht identifizierten) Gottheit im Tempel auf einem Podest vor der Westwand geopfert wurde.

Als Schutzgöttin von Lato gilt die kretische Göttin Eileithyia, die sich ebenfalls auf Münzen der Stadt findet. Ebenso wie die Namensgeberin Leto soll Eileithyia als Göttin der Geburt bei den zahlreichen mythologischen Intrigen hinsichtlich der Nachwuchsplanung des griechischen Göttergeschlechts involviert gewesen sein, beispielsweise bei der Geburt des legendären Herakles. Wohl aus älterer Zeit als der Tempel selbst datieren einige Tonbrennöfen, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Tempelbaues fanden. Doch auch die Nähe zu den Sitzreihen der Theateranlage, deren teils gemauerte und teils in den Fels geschlagene Sitzreihen sich zum Tal und der Aussicht über das nahe Meer öffnen, zeugen wie so oft in der griechischen Hochklassik um das 5. Jahrhundert v.Chr. von einer engen Verbindung von weltlichem und spirituellem Leben der Bewohner. Kein Wunder, bei so einem Ausblick.

Ausblick vom Theaterbereich Latos auf Agios Nikolaos und die Mirabello-Bucht

Von der Terrasse des Theaterbereichs sieht man nicht nur das Meer und Agios Nikolaos, sonder auch das Hauptquartier©Kretaplan

 

Kretaplan-Tipp: Archäologische Stätte der antiken Stadt Lato

  • geöffnet täglich von 8:30 bis 15:00 Uhr, dienstags und an manchen Feiertagen geschlossen
  • Eintritt 5€, keine öffentlichen Toiletten vorhanden
  • erreichbar über die Landstraße nach Exo Lakonia oder über Kritsa, 15min. Fahrt von Agios Nikolaos
  • Das Areal ist eingezäunt, wird aber mitunter von Ziegen beweidet, weshalb rutschfestes Schuhwerk hilft
  • Da es vor Ort keine Erfrischungen gibt, sollten Getränke und Sonnenschutz mitgebracht werden
  • Besonders empfehlenswert ist der Besuch im Frühjahr, wenn die kretische Natur in voller Blüte steht. An besonderen Daten wie dem 18. April und dem 18. Mai ist der Eintritt zudem frei.
  • Nach dem Besuch empfehlen wir eine der beiden hervorragenden traditionellen Tavernen Sto Steki und O Kritikos am Dorfplatz von Flamouriana, in Sichtweite und zu Füßen der antiken Stadt Lato.

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