Neue Rekordzahlen an Ankünften von Besuchern an Kretas Flug- und Fährhäfen, aber dennoch unterm Strich sinkende Einkünfte. Die Unzufriedenkeit der lokalen Tourismusbranche mit den Zahlen der gerade auslaufenden Hauptsaison 2025 war schon früh im Jahr wahrzunehmen – doch welche Umstände führen dazu, dass Kretaurlauber immer weniger bereit sind, Geld auszugeben?

Das Zentrum um den See von Agios Nikolaos lebt von Tagestouristen – von Kreuzfahrtbesuchern kann man nicht leben ©Kretaplan
Auch wenn der Hauptstadtflughafen Heraklion Nikos Kazantzakis sichtlich in die Jahre gekommen und dem Besucheransturm der kretischen Hauptsaison kaum noch gewachsen ist, könnte man dennoch die kurzen Wege und Abläufe abseits der Massen zur Hauptreisezeit anführen, die ihn im Gegensatz zu anderen Flughäfen doch eigentlich auf eine unkomplizierte Art praktisch und zugänglich machen. Während andere Metropolflughäfen von einem Wald an Schranken und Zäunen abgeschirmt sind, kann man an Heraklions Onshore-Airport problemlos direkt vors Terminalgebäude fahren, um Besucher aufzugabeln oder abzusetzen.
Sicher ist das nicht das Hauptkriterium für die Hunderttausenden ausländischen Urlauber – eher schon die allgemeine Zuverlässigkeit. Zwar durften sich die griechischen Fluglotsen per Eilgerichtsentscheid nicht am landesweiten Generalstreik am 01.Oktober beteiligen, planen allerdings deutlich weitergehende Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer Interessen. Durch den angedrohten "Dienst nach Vorschrift" könnte es demnach bis ins Jahr 2027 zu massiven Einschränkungen des gesamten griechischen Luftverkehrs kommen. Und ob dann Kretas neuer Inlands-Flughafen bei Kastelli tatsächlich schon in den terminierten Betrieb gehen und seinerseits für die allseits erwartete Steigerung um 20% der Ankünfte sorgen kann, steht noch in den Sternen. Solange allerdings darf sich Heraklions alter Airport noch als einer der unbeliebtesten Flughäfen Europas fühlen. Es kommt eben doch wie so oft auf die Perspektive an: Woher kommen wir. Wo wollen wir hin. Und müssen wir dabei leider noch mal auf die Toilette...
2025, eine Sommersaison mit Hindernissen
Eigentlich versprach man sich viel, fielen doch das griechisch-orthodoxe Osterfest sowie die profanen Osterferien der nordeuropäischen Urlauber 2025 terminlich zusammen, was wie ein wahrer Booster auf den Start der diesjährigen Hauptsaison sorgen sollte. Doch der nach wie vor ungeklärte Erdbebenschwarm im Frühjahr um die Nachbarinsel Santorin und die damit einhergehende Angst vor Tsunamis in der Agäis dürften noch mahnend in den Hinterköpfen Last-Minute-Buchender gespukt haben. Tatsächlich gab es ja auch im späten Frühjahr einige leichtere, aber spürbare Erdstöße im kretischen Meeresboden, was den einen oder anderen kurzentschlossenen Besucher abgeschreckt haben mag. Die wie auch im vergangenen Jahr in deutschen Medien wuchernden Horromeldungen von wütenden Waldbränden um Athen und auch wieder vereinzelt im Süden und Westen von Kreta samt Touristenevakuierungen allerdings werden sich wohl erst bei den Buchungen fürs kommmende Jahr auswirken.

Gute griechische Gastfreundschaft gibt es natürlich noch – zuverlässig abseits des Massentourismus ©Albrecht Fietz/pixabay
Trotzdem setzte man die Hoffnung auf eine weitere Saison mit Rekorden hinsichtlich der Besucherzahlen, die den Kreta-Boom der letzten Jahre kennzeichneten. Nicht nur bei Deutschen, Engländern und Franzosen ist die große Mittelmeerinsel beliebt. Nach offiziellen Angaben von Flughafenleitung und Hafenbehörde sind rund 300.000 Touristen mehr dieses Jahr zu erwarten, was einem Anstieg von gut 5% gegenüber den Vorjahren entsprechen würde. Doch leider entwickelt sich die Kaufkraft der Kreta-Touristen entgegengesetzt dem Wachstumstrend: standen 2023 statistisch noch 950 Euro zur Verfügung, sank dieser Wert für 2024 auf rund 790 Euro und dürfte ersten Prognosen für 2025 noch niedriger liegen. Auch die Aufenthaltsdauer der Kreta-Besucher sinkt seit Jahren kontinuierlich: Wie die griechsiche Zentralbank ermittelte, lag die durchschnittliche Verweildauer ausländischer Touristen in Griechenland im Jahr 2005 noch bei 10,7 Tagen und ist bis zum Jahr 2024 auf nur noch 5,9 Tage gesunken, was sich ebenfalls negativ auf die Umsätze auswirken dürfte. Demnach greift es deutlich zu kurz, immer nur die steigenden Ankunftszahlen zu feiern. Denn die anhaltenden Kriege in der Ukraine und um Israel tun ihr Übriges, dass all diejenigen, die nicht in großem Stil in Rüstungsaktien investiert haben, eben nicht großartiger Urlaub machen können als zuvor.
Israelis verlängern ihren Kreta-Aufenthalt
Auch dass Kreta eines der Lieblingsreiseziele vieler Israelis ist, die hier in geografischer Nähe eine Urlaubsinsel mit vorzüglichem mediterranen Klima und Kulinarik, aber ganz ohne Raketenalarm und Judenhass finden, ist man sich aus europäischer Sicht vielleicht nicht so bewusst. Doch jede diesjährige Ankunft der israelischen Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Agios Nikolaos wurde immer mehr zum Politikum, je mehr sich der Konflikt um Gaza ausweitete. Auch in Agios Nikolaos ließ sich ein Ladenbesitzer zu einem israelkritischen Plakat im Schaufenster hinreißen, was für gewaltsame Reaktionen eines Kreuzfahrtgastes führte. Im Laufe des Sommers eskalierten Proteste gegen die israelische Politik mehrfach, Kreuzfahrtgäste wurden bepöbelt und hatten danach vermutlich keine große Lust mehr, viel Geld auf ihrem kurzen Landgang zu lassen. Bekanntlich ohnehin ein Strukturproblem von sämtlichen Kreuzfahrt-Hotspots weltweit von Santorin bis Venedig, die mit Menschenmassen, aber kaum lokalen Umsätzen zu kämpfen haben. Doch auch hier ist die Angelegenheit zwiegespalten, gelten doch die vielen Israelis, die sich seit Beginn der Kriegshandlungen des eigenen Landes nun in der Nachbarschaft Kreta für einen Wohnsitz in Frieden umsehen, als zukünftige zahlungskräftige Kunden.

Ganz nach Plan? Weniger pauschal, vielmehr Luxus mit der Explora I. der MSC, im Hafen von Agios Nikolaos zu Gast ©Kretaplan
Kaufzurückhaltung nach exorbitanten Preiserhöhungen
Wer seine Preise wie die kretischen Hoteliers in den vergangenen Jahren um bis zu 30% erhöht hat, kann sich eigentlich nicht wundern, wenn die Gäste dann etwas weniger Geld zum Ausgeben vor Ort mitbringen, so eine alte Kaufmannsweisheit. Nun sollen es Rabatte richten. Doch laut Präsident des Hoteliersverbands von Lassithi lag die Auslastung der Hotels um Agios Nikolaos bis zum 31. August bei rund 80% und damit niedriger als im Vorjahr. Sicher sind die Betriebskosten vor Ort durch beträchtliche Erhöhungen der Strom-, Wasser- und Personalkosten (durch Erhöhung des monatlichen Mindestlohnes von 830€ auf 880€ im April) gestiegen. Zudem sind auch die Kosten, die den Urlauber vor Ort erwarten, deutlich gestiegen, etwa bei Eintrittspreisen teils um mehr als das Doppelte wie am Beispiel der Diktäischen Höhle von Psychro oder auch Spinalonga, wo die Eintrittspreiserhöhung von 8€ auf 20€ zudem erst nach dem Verlassen der Zubringerfähre kommuniziert wird. Doch auf Kreta scheint man sich einig, dass man in Zukunft weg vom Massentourismus will hin zu hochpreisigeren Angeboten, die sich mit jeder gefeierten Eröffnung eines neuen Fünf-Sterne-Resorts manifestieren. Alternative Reiseformen wie das Camping in Griechenland – wenn auch eigentlich bestens geeignet, dem allseits ausgegebenen Ziel einer Ausweitung der Urlaubs- und damit Devisen-Saison auf Kreta näher zu kommen – scheinen da eher zu stören.
Kurzzeitvermietungen im Fokus: 2025 Erstmals mehr Betten als in Hotels
Doch auch bei bodenständigeren Unterkunftsangeboten ist es nicht ganz so einfach. Erstmals haben Objekte in Kurzzeitvermietung mehr Betten gestellt als Hotels, was für den griechischen Staat angesichts des noch geltenden Sonderstatus von Mietangeboten und der Ausnahme von der Mehrwertsteuerpflicht über Plattformen wie Airbnb wiederum steuerliche Begehrlichkeiten weckt. Die Klagen der Tourismusverbände über ausufernde Angebote an Kurzzeitvermietungen fand zuletzt Anfang des Jahres in einer skurrilen Steuererhöhung ein Abbild: Während die pro Nacht und Einheit zu zahlende Tourismussteuer für Luxushotels und Pensionen unangetastet blieb, wurde die Abgabe für Kunden von Kurzeitmietobjekten um ein Vielfaches erhöht, namentlich von 1,5 Euro auf nun 8 Euro pro Nacht während der Hauptsaison. Zudem müssen die Anbieter, die ihre Mieteinheiten auf Plattformen wie Airbnb anbieten, nun ähnlich strenge Voraussetzungen erfüllen wie Hotels, was Versicherungen, Brand- und Gesundheitsschutz u.ä. betrifft. Ob sich das Anbieten von Ferienappartments als "Kurzzeitvermietung" über einschlägige Plattformen dann noch lohnt, wird wohl erst die nächste Saison zeigen.

Glücklich, wer die Tourismus-Hospots im Westen Kretas noch in alter, Corona-indizierter Einsamkeit genießen konnte ©Jan Claus/pixabay
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