Ein offener Brief des kretischen Hotelierverbandes an den griechischen Premierminister Mitsotakis prangert die steigende Zahl an sogenannten Kurzzeitvermietungen über Plattformen wie Airbnb als »Geschwür« an, als eine »finstere Armee«, die den klassischen Tourismus kannibalisieren würde. Dabei täte ein etwas weniger polemischer und differenzierter Blick auf die Umwelzungen und Herausforderungen des Tourismus einer Branche gut, die sich allzu gerne als stärkster Wirtschaftszweig der Region darstellt.

Ein Haus an der See – oder doch eigentlich ein unkontrolliertes Geschwür an der grichischen Urlaubskultur? ©Albrecht Fietz/pixabay
Das Ende des Sommermärchens: Saison 2025
Die letzten Jahre waren von nahezu ungebremstem Wachstum geprägt, Touristenzahlen erklommen immer neue Bestmarken, worauf die überregionale Tourismusindustrie mit zahlreichen neuen luxuriösen Hotelprojekten reagierte. Doch dann verbreitete sich in Europa so langsam die Erkenntnis, dass die kriegerischen Übergriffe im nahen und mittleren Osten bleiben und für anhaltende Inflation sorgen würden. Die Urlaubsbudgets selbst im reichen Norden des Kontinents schrumpften unter die stolzen Werte, die ein Fünf-Sterne-Ressort irgendwo an der langen kretischen Küste für den Jahresurlaub aufrufen würde. Zwar kamen im Jahr 2025 weiterhin viele Besucher nach Kreta, doch sie blieben nicht mehr so lange und suchten sich vermehrt Unterkünfte abseits der international geführten Hotelketten, die zwar nach wie vor die Meerbusen der größten griechischen Insel schmücken, aber eben nicht mehr wie sonst auf Auslastungen im hohen 90-prozentigen Bereich kamen. Gleichzeitig überstieg die Zahl an Betten, die nicht in Hotels auf Gäste warten, ihre etablierten Konkurrenten. Und dagegen nun kann man doch wirklich mal was unternehmen...
Konstruktion eines Feindbildes
Der kretische Hotelierverband sendete also kürzlich einen Brief an den griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis, in dem er "die sofortige Einführung horizontaler, strenger Regeln für Kurzzeitvermietungen auf der gesamten Insel" fordert. Koloriert zudem mit äußerst drastischen Worten von "unkontrollierten Geschwüren« und einer »finsteren Armee«, die "verantwortungslos [...] in unlauterem Wettbewerb die Nachhaltigkeit des Tourismus bedroht". Doch welche Nachhaltigkeit genau ist hier gemeint? Und vor wem fürchtet sich eigentlich ein solch gut vernetzter Lobbyverband, der nach eigenen Angaben traditionell zu beachtlichen 22% der Staatseinnahmen beiträgt – und seine Forderungen direkt an den Regierungschef weiterreicht?!
Wer also sind diese "Kleinunternehmer" der angeblich wuchernden Kurzzeitvermietungen? Darunter nicht wenige junge Leute, die ihre geerbten kleinen Häuser auf dem Land und in Dörfern in Eigenleistung renoviert haben und (ziemlich genau wie Hotels und Pensionen weltweit) die Reichweite von etablierten Plattformen wie Airbnb nutzen, um es Gästen als Ferienappartment anzubieten. Um sich damit niedrigschwellig ein Zubrot zu ihrem notorisch geringen Gehalt bei hohen Lebenshaltungskosten zu verdienen, welches oft schon seit den Krisenjahren Ende der 2000er zum Leben allein nicht reicht. Sicher also keine etablierten Unternehmer, die es sich leisten können, bis auf den Schreibtisch des Premierministers zu lobbyieren. Die aber selbstverständlich rund 20% Einkommenssteuer auf ihre automatisch ans Finanzamt gemeldeten Mieteinkünfte zahlen müssen, ohne aber auch nur einen Cent Ausgaben für Ausstattung, Renovierungen oder Versicherungen steuerlich geltend machen zu können.

Manchmal nicht ganz leicht, auf den ersten Blick zwischen Boutique-Hotel und Airbnb-Apartment zu unterscheiden ©Kretaplan
Die bestehenden Regelungen von Kurzzeitvermietungen
Wer wie der Hotelierverband strengere Regeln fordert, muss natürlich wissen, welche Regelungen bereits bestehen. Zur allgemeinen Information hat Kretaplan hier eine im September 2025 an Besitzer von registrierten Objekten in Kurzzeitvermietung versendete Nachricht vom Tourismusministerium beigefügt, übermittelt durch die unabhängige öffentliche Steuerbehörde AADE (in automatischer Übersetzung ins Deutsche). Darin werden unter Androhung von Verwaltungsstrafen ab 5.000€ im Rahmen einer Steuerprüfung Nachweise über die Einhaltung von Regularien hinsichtlich Brand- und Versicherungsschutz, professioneller Schädlingsbekämpfung und Desinfizierung verlangt, die ab dem 01. Oktober 2025 bei angekündigten Polizeikontrollen überprüft werden sollen.
Sollte es etwa so sein, dass es bereits strenge Regelungen für die Kurzzeitvermietung gibt, die denen im Hotelgewerbe vergleichbar sind?! Neben der Tatsache, dass die Tourismusabgabe, die die Anbieter solcher Kurzzeitvermietungen vom Gast pro Übernachtung verlangen und an den Staat weiterleiten müssen, zu Jahresbeginn 2025 von 1,5 Euro auf 8 Euro in der Hauptsaison erhöht und somit vervielfacht wurde, während die Abgabe über Hotels unangetastet blieb. Man kann der aktuellen griechischen Regierung also nicht vorwerfen, Airbnb-Host das Leben besonders leicht zu machen, und das schon seit einigen Jahren mit stetigen Verschärfungen der staatlichen Regulierung.
Schreiben des griechischen Tourismusministeriums an Inhaber aktiver REAN im Immobilienregister für kurzfristige Mietverträge
Manchmal auch Verdrängung von Wohnraum
Zweifellos wird die Umwandlung von regulären Mietwohnungen zu lukrativeren Ferienappartments in urbanen kretischen Zentren wie Chania, Heraklion und Rethymno zum Problem für den lokalen Wohnungsmarkt – nämlich dann, wenn Studenten, Lehrer und Familien keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden. Doch auch hier ist es nicht verkehrt, etwas differenzierter die dahinter liegenden Modelle zu beleuchten. Sicher gibt es in nicht geringer Zahl Ferienappartments in gut erschlossenen Urlaubshochburgen, wo zusätzlich neben traditionelleren Vermarktungskanälen und Reisebüros zusätzlich über Sharing-Plattformen wie Airbnb inseriert wird, um eine höhere Auslastung zu generieren. Zumindest für private Anbieter einzelner Objekte wird dabei keine Umsatzsteuer fällig, was seitens der Hotellerie als unlauterer Wettbewerb gewertet wird.
Doch bei mindestens ebenso vielen Fällen handelt es sich eben um Privatleute, die die neuen Möglichkeiten nutzen, ihr einziges Mietobjekt ausschließlich auf diesem Weg anzubieten. Wie die Händlervereinigung von Hersonissos in einer Replik auf die Vorwürfe des kretische Hotelierverbands argumentiert, liegt eine größere Bedrohung der Tourismuswirtschaft inhärent in All-Inclusive-Hotelangeboten, die die Urlauber in den Hotels halten und stetig schwindende Umsätze in flankierenden Branchen wie der Gastronomie, dem Handel und der Ausflugswirtschaft mit sich bringen. Airbnb-Gäste hingegen gehen aller Erfahrung nach regelmäßig Essen, Trinken und Einkaufen, da sie per definitionem in ihrer Unterkunft nicht versorgt werden dürfen.
Kreta: keine Destination für Strandurlaub
Weiterhin wird von den Hoteliers gerne übersehen, dass sich immer mehr Besucher aus dem Ausland zwar auch für die Strände der Insel interessieren, aber eben nicht mehr nur ausschließlich. Kreta ist zu reich und vielfältig für reinen Strandurlaub. Wer die Insel mit allen seinen sehenswerten Seiten und Aspekten, Landschaften und Kulturen erleben möchte, übernachtet nur wenige Tage an einem Ort und zieht dann weiter von Station zu Station, um möglichst viel der mitunter nur mit Zeitaufwand überbrückbaren Entfernungen der großen Urlaubsinsel zu entdecken. Da bieten kleine, über die Insel verteilte Angebote einfach mehr Auswahl, Nähe zur Bevölkerung und nebenbei Umsätze in Tavernen, Kafeneions, Supermärkten und vielen weiteren Branchen, die für die Versorgung von Urlaubsgästen bereit stehen. Das wäre dann wohl als nachhaltig zu bezeichnen zum Wohle der Gesellschaft. Dazu mal eine verwegene These: Je standardisierter die Hotelanlagen werden, desto egaler ist es den Gästen vielleicht, ob sie nun an griechischen, kanarischen oder kroatischen Stränden braten, solange die Zimmer sauber und das Buffet social-media-tauglich ist. Doch das ist der ganz im Wortsinn konservativen Hotelbranche sicher nicht ganz einfach beizubringen.

Fragliche Frontlinien: Zwischen Küste/Inland, Profis/Amateuren, Massen-/Individualtourismus?! ©Albrecht Fietz/pixabay
Weiterführende Links:
Frontaler Zusammenstoß zwischen Hoteliers und Airbnb auf Kreta via Anatoli online
Airbnb and all-inclusive clash in Crete (auf englisch) via bnbnews.gr
Argumente für die Kurzzeitvermietung in Griechenland via Greek Travel Pages
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