Der griechische Weihnachtsmann kommt spät

Veröffentlicht am 11. Dezember 2025 um 07:49

Lokale Weihnachtsmusik und Santa-Claus-Schokoladenfiguren in allen griechischen Supermärkten seit November – doch das stämmige weißbärtige Festtagssymbol des Weihnachtsmannes kommt erst zum Jahreswechsel? Weihnachten in Griechenland sieht nur auf den ersten Blick aus wie überall sonst auf der Welt, denn es gibt einige interessante praktische Abweichungen und lokale Bräuche, die über den international standardisierten Mythos des jovalen Geschenkelieferanten hinausgehen.

Agios Nikolaos oder Vasilis Hauptsache, die Geschenke kommen für die Griechen nicht zu spät ins Boot  ©Franz Bachinger/pixabay

 

Ein bärtiger Auswanderer wird zur Ikone

Die großväterliche Gestalt in zeitlosem Rot-Weiß, die besonders Kindern seit dem 19.
Jahrhundert die Winterzeit versüßt, ist tatsächlich keine reine Marketing-Erfindung eines amerikanischen Limonadenabfüllers. Ebenso wenig können selbst überzeugte Kirchen-Modernisierer eine Bibelstelle
angeben, die von einem Bewerbungsverfahren um das Jahr Null unserer Zeitrechnung
berichtet, im Zuge dessen die Planstelle des erfahrenen Present-Logistikers mit Schlittenführerschein geschaffen wurde. Dennoch hat sich im kollektiven Bewusstsein der letzten 100 Jahre ein erstaunlich einheitliches Bild des Weihnachtsmannes festgesetzt.

Den Grundstein der länderübergreifenden weihnachtlichen Erfolgsgeschichte legte – was weniger bekannt sein dürfte – die Niederländische Westindien-Kompanie, der zunächst niederländische Auswanderer in die Neue Welt Nordamerikas folgten, im Gepäck Legende und Brauch ihres Sinterklaas. Diese wohlwollende bärtige Gestalt wurde übrigens auch gleich als St. Nicolas Schutzpatron von Neu-Amsterdam, später unter dem Namen New York City bekannt. Im westeuropäischen Flachland hingegen legte man in seinem Namen Münzen in die Schuhe bedürftiger Kinder und verhielt sich auch sonst großzügig gegenüber Schlechtergestellten – ein Brauch, der fest mit dem mysteriösen Treiben eines älteren Herren in Verbindung stand, dessen pelzbesetzter Mantel mit extrovertierter Farbgebung wohl der christlich-klerikalen Festtags-Kleiderordnung entstammte.

Vom Heiligen Nikolaos zum Weihnachtsmann? 

Die Gestalt des Weihnachtsmannes geht kulturhistorisch tatsächlich auf eine Vielzahl von Legenden und historischer Persönlichkeiten zurück, die jeweils ihren Aspekt zur Schaffung der modernen Symbolgestalt beitrugen. Optisch dürfte die in Russland bekannte Personifikation des Winters Väterchen Frost den größten Einfluss gehabt haben, lieferte er doch aus der eisigen Taiga kommend für das heutige Bild des Weihnachtsmannes den obligatorischen Thermo-Vollbart sowie den klassischen Rentierschlitten. Doch die eigentlichen Charakteristika des großherzigen Beschützers der Armen, der gerne einmal Kindern etwas Süßes (damals noch als besonders nahrhaft willkommen) hinterließ, gehen wohl auf den heiligen Bischof Nikolaos von Myra zurück, der um 300 n. Chr. im kleinasiatischen Teil des Römischen Reiches tätig war:

Im griechischsprachigen Patara in eine wohlhabende Familie geboren, spendete er den Großteil seines Vermögens für Arme und Kinder. Seinem kinderfreundlichen Wirken wurde bereits im Mittelalter an seinem überlieferten Todestag, dem 6. Dezember, gedacht. Der Brauch des Beschenkens ließ sich bestens mit der reichen christlich-orthodoxen Tradition der griechischen Heiligenverehrung kombinieren. Für den Nachwuchs wurden Nüsse und Süßigkeiten hinterlegt, damals übrigens noch weniger als Belohnung gedacht denn als lebensnotwendige Bevorratung haltbarer Lebensmittel für den kargen Winter. Die Weihnachtszeit Χριστούγεννα beginnt in Griechenland also spätestens mit dem Namenstag des Heiligen Nikolaos am 6. Dezember und endet erst einen Monat später an Epiphanias. Nicht ganz unpraktisch für ein Volk, das sehr gerne feste feiert.

Kirche des Heiligen Nikolaos an der Küste von  Agios Nikolaos

Eingezwängt zwischen Hotelanlagen, doch wehrhaft seit dem 8. Jhd.: Kirche des Heiligen Nikolaus im Norden der Stadt Agios Nikolaos  ©Kretaplan

 

Agios Nikolaos heute: Feuerwerk und Baumerleuchtung

Doch der kulturelle Einfluss des heiligen Nikolaos, der im gesamten Christentum besonders als Schutzheiliger der Seefahrer und Reisenden verehrt wird, geht über die roten Festtagsgewänder, den Bischofsstab und die Mitra hinaus, mit denen Der Nikolaus bis heute noch oft dargestellt wird. Im mittleren Osten Kretas sitzt eine unscheinbare kleine Kirche über dem Meer, gewidmet Agios Nikolaos und zugleich Namensgeber der ringsum gewachsenen Regionalhauptstadt, dessen Schutzpatron er ist. So wird hier an der Uferpromenade des Voulesmeni-Sees am 6. Dezember in einer offiziellen Zeremonie der städtische Weihnachtsbaum erleuchtet, Reden von diversen Stadtoberen gehalten und ein stattliches Feuerwerk abgebrannt. Denn schließlich ist es in der eigentlichen Weihnachtszeit vom 25. Dezember bis Neujahr eher ruhig im kulturellen Kalender – eben auch, weil viele Kreter traditionell die 12-tägigen Weihnachtsferien bis zum Dreikönigstag für Verwandtenbesuche oder Ferien auf dem Festland nutzen. Zwar gibt es mittlerweile auch vorsichtige Versuche mit Wintermärkten und weiteren weltlichen Festlichkeiten, doch im Alltag bleibt die Weihnachtszeit deutlich hinter dem Osterfest als weitaus größerem religiösen Festtag mit Feuerwerk, Festessen und Familienfeiern zurück.

Rotbeerige Mastix-Sträucher an der Uferpromenade von Agios Nikolaos

Iluminierte Kleinsegler am Nikolaustag zur Christbaum-Zeremonie auf dem Voulesmeni-See von Agios Nikolaos   ©Kretaplan

 

Noch ein alter Grieche mit Heiligenschein: Agios Vasilis

Da die Griechen gerne vieles etwas anders machen als der Rest der Welt, wird der heilige Nikolaos zwar durchaus auch verehrt, doch das eigentliche Pendant zum klassischen Weihnachtsmann ist ein anderer Zeitgenosse und Heiliger namens Vasilis, der in der christlich-orthodoxen Erzählung eine zentralere Rolle einnimmt. Geboren um 330 n. Chr. im heute israelischen Caesarea, studierte er in Konstantinopel und Athen und wurde später Bischof seiner Geburtsstadt. Dabei setzte er sich für die sozialen Bedürfnisse der Menschen in seiner Gemeinde ein und gründete Klöster und Krankenhäuser, um den Bedürftigen zu helfen. Er wurde im Jahr 379 n.Chr. heiliggesprochen und wird seitdem als Άγιος Βασίλειος, also Heiliger Vasilis, verehrt. Am 1. Januar ist sein Namenstag. Nach ihm ist die Vasilopita benannt, ein traditioneller griechischer Neujahrskuchen, in dem eine Münze eingebacken ist. Derjenige, der das Stück mit der Münze erwischt, soll im kommenden Jahr besonders mit Glück und Erfolg gesegnet sein. Und damit die Chancen steigen, werden mehrfach Neujahrskuchen rituell angeschnitten – nicht nur in der Familie, sondern auch in Schulen, Unternehmen, Sportvereinen und vielen anderen Organisationen.

Agios Vasilis dürfte übrigens ein echt feuerfester Teufelskerl sein, kommt er doch in der Neujahrsnacht, in der traditionell in jeder griechischen Feuerstelle die Flammen lodern – hier kommt das Christoxylo oder Weihnachtsholz ins Spiel, ein weiterer traditioneller Festtagsbrauch der Griechen, die ohnehin gerne Feuer machen und bei der Gelegenheit ein besonders prächtiges Stück Hartholz befeuern, auf dass es möglichst die ganzen 12 Festtage des Δωδεκαήμερο über brennen möge, um das Christkind zu wärmen – über den Kamin ins Haus, um die Geschenke zu bringen. Die werden in Wiederaufnahme alter Traditionen übrigens vermehrt nicht unter dem Weihnachtsbaum drapiert, sondern (symbolisch) in einem Schiff, das nicht nur an die maritimen Ursprung der Seefahrernation Griechenland erinnert, sondern auch der Legende nach die praktischere Schlittenalternative der Wahl war, auf dem der Heilige Vasilis einst seine wohltätigen Gaben brachte. Eigentlich logisch im Land der 6.000 Inseln, in dem es häufiger regnet als schneit und eine schiffbare Küste nie fern ist.

Der griechische Knecht Ruprecht kommt in Horden: Kallikántzaroi 

Alle Jahre wieder kommen die legendären Weihnachtsgnome aus dem Tartaros der Unterwelt herauf, wo sie den Rest des Jahres dreist versuchen, den Weltenbaum abzusägen. Sobald die koboldartigen Kreaturen Namens Kallikántzaroi die Oberwelt der Menschen erreichen, treiben sie exklusiv zur Weihnachtszeit jede Menge freches Unwesen rund ums griechische Haus. Nicht unbedingt bösartig, aber lästig, versuchen die an Sartyren erinnernden Gnome, die Festtagsvorbereitungen zu sabotieren, besonders die Süßigkeiten zu stehlen und allgemein Unruhe zu stiften, wenn sie über die Kamine in die Häuser eindringen, um Unvorbereitete zu erschrecken und Möbel zu verrücken. Dem wird griechenlandweit mit unterschiedlichsten Ritualen begegnet, auf Kreta beispielsweise mit einer weißen Meerzwiebel an der Eingangstür. In den zwölf Feiertagen bis zum Epiphaniefest, wenn das Wasser geweiht wird und die Kallikántzaroi wieder in die Unterwelt verschwinden, kann so natürlich viel Unheil entstehen. Denn sie "verunreinigen" besonders gerne Wasser und Wein, was man zum zweitwichtigsten religiösen Fest des Jahres gar nicht gebrauchen kann.

OMG Kallikántzari: griechische Weihnachtsgnome, die nur zu den 12 Feiertagen ihr Unwesen treiben. ©ΟΕΔΒ 1961 - Αναγνωστικό 4ης Δημοτικού

 

Das Weihnachts-Ankündigungssingen Kalanda

Nur an Heiligabend und Sylvester gehen Kinder mit ihrer Triangel bewaffnet von Tür zu Tür und beglücken die Bewohner mit traditionellen Liedchen zur Ankündigung der bevorstehenden Weihnacht. Dafür haben sie in der Vergangenheit meist Obst, Nüsse oder Süßigkeiten bekommen (weshalb der kommerzielle US-Halloween-Brauch hier verwurzelte Konkurrenz hat, ja vielleicht sogar selbst eine moderne Mischung aus Kalanda & Kallikántzari ist), heute aber meist etwas Geld für Geschenke zugesteckt bekommen. Wer von dem Nachwuchs in griechischen Kleinstädten und Dörfern die Händler, Apotheker, Wirte und sonstige geschäftige Vertreter kennt und ihnen zusingt, kann schon mal ein ganzes Monatsgehalt an Taschengeld einstreichen, steuerfrei natürlich (obgleich seit kurzem jeder Grieche schon als Baby eine Stuernummer zugewiesen bekommt). Diese Weihnachtstradition verbindet wie üblich das Nützliche mit dem Notwendigen, wie auch der Brauch des Weihnachtsholzes Christoxylo oder die weihnachtliche Gelegenheit, endlich einmal Kamin und Feuerstelle gründlich zu reinigen. Denn der Beruf des Kaminkehrers ist in Griechenland weitestgehend unbekannt. Und Vasilis soll sich seinen Bart schließlich nicht schmutzig machen... Χρόνια Πολλά

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